Backmeister & Kollegen - Rechtsanwälte und Notar

VW Abgas-Skandal und seine rechtlichen Folgen

 Im Internet überschlagen sich die Meldungen zur Frage, ob und wie die betroffenen Autobesitzer vorgehen können. Zahlreiche Anwaltskanzleien bewerben sich plakativ um Mandate und versprechen Lösungen, die tatsächlich höchst fragwürdig sind.

„Höchste Zeit, den Verbrauchern klaren Wein einzuschenken“, meint unser Autorecht-Spezialist Kersten Rothemel.

Vorweg: Nur einem Käufer oder einem Leasingnehmer ( dem die Leasinggesellschaften regelmäßig die Gewährleistungsrechte übertragen) entstehen kaufrechtliche Ansprüche gegen den Verkäufer. Dieser ist aber in den seltensten Fällen der Hersteller Volkswagen AG selbst!
Beim Kauf von privat entstehen keine Ansprüche , wenn wie üblich die Gewährleistung ausgeschlossen wurde. Denn der private Gebrauchtwagenverkäufer kannte die „Schummel-Software“ ebensowenig wie der Käufer, bevor die Medien breit darüber berichteten.

Die beanstandete Software ist ein klarer Mangel des Fahrzeugs. Die gesetzliche Gewährleistungszeit beträgt 2 Jahre ab Übergabe, sie kann bei gebrauchten Fahrzeugen vom Händler auf 1 Jahr beschränkt werden. Sind diese Fristen verstrichen, kann sich der Verkäufer auf Verjährung berufen.
Manche Stimmen argumentieren, weil Verkäufer nach § 439 Abs. 1 BGB auch für die Eigenschaften einzustehen hat, die der Hersteller beworben hat,  müßte sich der Händler die  Manipulationen des Herstellers als  arglistige Täuschung zurechnen lassen, und könne der Käufer daher seinen Vertrag anfechten mit dem Ziel der Rückabwicklung.
Auch diese These hilft dem Käufer leider nicht! § 123 Abs. 1 BGB schreibt vor, daß der Vertragspartner sich die Täuschungshandlung eines Dritten nur dann zurechnen lassen muß, wenn er auch davon wußte. Nun ist nicht bekannt und dürfte der Nachweis unmöglich sein, daß gewerbliche oder private Verkäufer der betroffenen Fahrzeuge vor der Veröffentlichung in den Medien von der Software überhaupt wußten. Selbst die VW-Vertragshändler sind in aller Regel hier ebenfalls nur Opfer des Herstellers, da sie innerhalb der gesetzlichen Frist nun zur Fehlerbeseitigung verpflichtet sind. Mehr aber vermutlich auch nicht.
Es gibt bereits ein erstes Urteil des Landgerichts Bochum, welches einem Käufer den Rücktritt vom Kaufvertrag versagt hat, weil der Mangel mit geringfügigem Aufwand (laut VW ca. 100,- €) beseitigt werden könne. Der Käufer könne hier nur Fehlerbeseitigung oder ggfs. auch eine Kaufpreisminderung verlangen. Ob nach einer Nachrüstung erhöhte Verbrauchswerte verbleiben und wegen dieses dann nicht zu beseitigenden Mangels doch noch ein Rücktritt möglich wäre, ist noch nicht entschieden, zumal die Umrüstaktion ja erst zu laufen beginnt.

Bleibt noch die Frage, ob der Kunde gegen den Volkswagen-Konzern vorgehen kann. Anders als in den USA gibt es in Deutschland nur eine sehr beschränkte direkte Haftung des Herstellers gegenüber dem Endkunden. Das Produkthaftpflichtgesetz deckt aber gerade keine Schäden am schadhaften Produkt selbst ab.  Zwar sind Schadenersatzansprüche unter dem Gesichtspunkt des Betrugs denkbar, diese beschränkten sich aber auf etwaige Folgeschäden wie Umrüstkosten wegen der Zulassung (macht VW sowieso in Rückrufaktion) oder Ersatz etwaiger Treibstoff-Mehrkosten.
Der einzig greifbare Schadensersatzanspruch von wirtschaftlicher Bedeutung könnte der Wertverlust beim Weiterverkauf des Fahrzeugs werden (sog. merkantiler Minderwert). Bleibt abzuwarten, ob die deutschen Gerichte s den Schutzbereich des § 823 Abs. 2 BGB so weit ausdehnen. Und das VW den amerikanischen Käufern eine Abfindung zahlt, erzeugt in unserem Land keinerlei Rechte!